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Interview mit Birte Müller

Wer bist du?

Ich bin Birte Müller, Kinderbuchautorin, Illustratorin, Kolumnistin und Künstlerin aus Hamburg. Außerdem bin ich Mutter eines „behinderten“ und eines „unbehinderten“ Kindes.


Birte Müller
Birte Müller

Welche Perspektive bringst du in Bezug auf vielfältige Kinderbücher ein und was bedeuten diese für dich?

Tatsächlich ist mir schon vor der Geburt meines Sohnes mit Down-Syndrom der elendige Ableismus in Geschichten für Kinder aufgefallen. Ich weiß nicht, ob es damals das Wort schon gab, auf jeden Fall kannte ich es noch nicht.

Eigentlich alle Geschichten rund um Behinderung waren Überwindungsgeschichten, in denen ein wahnsinnig niedliches Kind (Wesen oder Tier), das minimal anders ist (also vermeintlich dick, hässlich, mit kleiner Flosse oder abgeknickten Öhrchen) und dann trotz (oder wegen) der Einschränkung eine herausragende Leistung bringt um danach gefeierter Teil der Gruppe sein zu dürfen. Dieses Prinzip geht mir bis heute wirklich auf die Nerven, vor allem weil die Protagonisten in der Regel immer nur ein kleines bisschen von der Norm abweichen. Wenn wir es als Gleichnis für Behinderung nehmen, sind sie also nicht einmal wirklich behindert.

Ein wirklich behindertes (und seit einiger Zeit auch noch ein krankes) Kind zu haben, hat meinen Blick darauf enorm geschärft.

Wir dürfen unseren Kindern nicht vermitteln, dass sie das Recht auf Liebe und Anerkennung nur gegen irgendeine Leistung erlangen. Das Leistungsprinzip macht Menschen krank. Jeder hat ein uneingeschränktes Existenzrecht und muss dafür GAR NICHTS können oder tun.

Alle Menschen haben den gleichen Wert. Leider ist das überhaupt keine Selbstverständlichkeit, das zeigt sich beispielsweise mit dem Blick auf Fremdenfeindlichkeit im Moment sehr deutlich. Aber eben auch im Zusammenhang mit Behinderungen wird immer gerne betont, dass Person XY zwar vieles nicht kann, dafür aber jenes besonders gut. Als gelte es einen Makel auszugleichen. Es gibt aber keinen Makel. Das genau ist Diskriminierung, was manche Menschen wundert, weil sie es eben bei dieser Haltung besonders wohlwollend vorkommen.


Warum ist dir Vielfalt im Kinderbuch wichtig?

Im Moment sind wir vielleicht noch an dem Punkt, dass wir stolz darauf sind, dass es bestimmte Bücher zu bestimmten Themen gibt, die sonst selten berührt werden. Das ist gut, denn so schaffen wir Gesprächsanlässe. Wenn ich als Kind Unterschiede wahrnehme, sie mir aber keiner erklären möchte, kann ich sie auch nicht verstehen und darum viel schwerer aushalten.

Leider greifen viele Menschen für ihre Kinder lieber nicht zu solchen Büchern, weil sie beispielsweise meinen, Inklusion beträfe sie gar nicht. So eine Aussage ist natürlich glatt ein bisschen lustig, wenn man es genau bedenkt.

Aber im Prinzip sollte es irgendwann so sein, dass Kinder Vielfalt als etwas Selbstverständliches erleben. Wenn sie auch in ihren Bilderbüchern erleben, dass menschliche Fähigkeiten, Körper oder Hautfarben ganz unterschiedlich sind, dass manche Kinder zwei Mütter haben oder Männer sich küssen – und zwar ohne, dass es als „Problem“ behandelt oder gewertet wird – kommen wir da bestimmt einen großen Schritt weiter.


Das komplette Interview gibt es zu dem Workshop "Du hast die Wahl: wie vielfältig wird das Kinderbuchregal?"


Mehr Informationen zu Birte Müller findet ihr auf Ihrer Homepage:

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