Interview mit Andrea Karimé
- Simone Bernert
- vor 17 Minuten
- 3 Min. Lesezeit
Warum sind “Own Voices” Bücher wie deine so wichtig in der Kinderbuchbranche?
Also ich glaube zuallererst hilft vielleicht ein Vergleich um die Wichtigkeit zu veranschaulichen. Möchten wir nur (Frauen-) Geschichten aus der Feder von Männern lesen? Wäre das egal? Wie würden sich die Frauen unter den Leser*innen sich fühlen? Nein, es wäre unangenehm und ungerecht, wenn Frauen noch mehr aus dem Buchbetrieb ausgeschlossen würden. Genauso wenig ist es egal und geschweige denn akzeptabel wenn hauptsächlich weiße Menschen Geschichten für Kinder erzählen, und wir auch nur aus der Sicht weißer Autor*innen Kindergeschichten mit marginalisierten Held*innen erzählt bekommen. Es ist also eine Frage der Repräsentation und Teilhabe.
Auch für Kinder ist es wichtig zu sehen, dass auch Menschen of Color bekannte Kinderbuchautor*innen werden können, also das Lesen und Schreiben als Wichtigkeit und Bedeutsamkeit repräsentieren. Und das ist nicht nur für die geschätzt 40 Prozent Kids of Color wichtig, sondern auch für alle anderen. Autor*innen kommt innerhalb der Leseförderung mehr und mehr Bedeutung zu. Wir geben Lesungen und Schreibwerkstätten in Schulen und bei öffentlichen Lesefesten. Autor*innen of Color zu treffen ist für Kinder sehr unwahrscheinlich. Kinder of Color haben so das Gefühl, dass Literatur nichts mit ihnen zu tun hat. Umgekehrt finden sie über eine Lesung mit einer Autor*in of Color wieder den link zur Literatur. Doch wie schon gesagt, sind diese eher die Ausnahme.
Der Begriff „Diversity“ stammt übrigens aus den USA und verweist auf ein Konzept, das mehr Teilhabe in den Wissenschaften fördern und mehr Möglichkeiten für Schwarze Menschen und Persons of Color ermöglichen sollte. Diversity setzt demnach Multiperpektivität voraus. Wenn wir in den Vorschauen PoCs zählen, sind wir schnell fertig und stellen fest, dass der Kinderbuchbetrieb von Diversity im ursprünglichen Sinne weit entfernt ist.
Der Kinderbetrieb ist wie ein Orchester, das immer wieder Geigen einstellt, obwohl Klarinetten, Bratschen, Celli, Trompeten und Pauken fehlen. Macht doch nichts wenn alles mit Geigen gespielt wird. Macht eben doch was. Denn wer erzählt, das Mikro, die Stimme erheben darf, gehört wird, wann und wie lange, das alles ist eine Frage der Macht.

Was wünschst du dir für die Zukunft der Kinderbuchbranche?
Ich wünsche mir im Sinne von Antwort 1 einfach mehr andere Klänge als nur Geigen. Also mehr Zugänge und Geschichten aus nichtweißer Perspektive.
Und ich wünsche mir mehr Öffnung und Mut für die Poesie. Uneindeutige Metaphern und Verse fordern nämlich zum Umgang mit Mehrdeutigkeit heraus. Alle Kinder sind heute mit immer komplexeren Lebenswelten konfrontiert und gefragt, verschiedenen Perspektiven anzuerkennen und nicht nur nach einfachen Lösungen zu suchen. Dazu kann ein Versroman mit mehrdeutiger Poesie inspirieren. „Poesie ist der Ort der Sprache, an der sie am effektivsten erneuert werden kann. Poesie ist eine universelle Sprache, die über die Grenzen der Medien hinausgeht und die menschliche Seele und das Unterbewusstsein direkt anspricht“, wie die Künstlerin Katalin Ladik schreibt. Und das bedeutet auch, dass die Poesie alle Kinder ansprechen kann, unabhängig von ihrer Herkunft und Sprache. Kinder verfügen über ein großes poetisches Potenzial, etwa Wortschöpfungen und poetische Konstruktionen, mit denen sie stets um sprachlichen Ausdruck ringen.
Das komplette Interview gibt es zu dem Workshop "Du hast die Wahl: wie vielfältig wird das Kinderbuchregal?"
Für mehr Informationen und den Kontakt zu Andrea Karimé, um sie zu Lesungen oder Workshops einzuladen, schaut gern auf ihrer Website. Dort ist der Instagram-Account sowie die Anmeldung für einen Newsletter möglich.
Website: https://andreakarime.de/2-Willkommen
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